Mütterliche Perfektion:
Nobody’s Home
Fürsorge, Geborgenheit, Zuneigung – Mit diesen Begriffen verbindet man das Bild einer perfekten Mutter. Aber was passiert, wenn eine Frau nicht leisten kann, was von ihr erwartet wird? Das Drama „Nobody’s Home“ von Deniz Akçay zeigt eine Familie, die zwischen dem Leiden der Mutter und den Bedürfnissen der Kinder zerrissen wird.
Nach dem Tod ihres Ehemannes ist Nurcan, Mutter von zwei Töchtern und einem Sohn, nicht mehr in der Lage, die Verantwortung für die Familie zu übernehmen. Sie reagiert frustriert, aggressiv und hilflos auf die Probleme ihrer Kinder und stellt vor allem eine große Belastung für die älteste Tochter Feride dar. Der mittlere Sohn Ilker sucht Abstand und vertraut sich niemandem an. Zeitgleich beginnt er eine Affäre mit der Mutter eines Freundes. Allein Özge, die Jüngste, versucht die Familie zusammenzuhalten; auch sie wird in ihren Bedürfnissen vernachlässigt. Der Film endet mit der Hochzeit von Feride, die sich für den traditionellen Weg entschieden hat und auf völliges Unverständnis ihrer Mutter stößt.
„Nobody’s Home“ beschäftigt sich mit dem Idealbild der Mutterrolle, das gerade in der Türkei einen hohen Stellenwert besitzt. Es wird eine Frau gezeigt, die in ihrer Funktion als Mutter versagt. Ein weiteres Thema ist der Konflikt zwischen Tradition und Moderne. Deniz Akçay macht auf die Entwicklung zurück zum Konservatismus in der Türkei aufmerksam. Im Film sind weder die moderne Nurcan noch die traditionelle Feride glücklich mit ihrem Schicksal; Akçay sieht weder in dem Einen, noch in dem Anderen die Lösung des Konflikts.
Die Regisseurin berichtet im Gespräch mit dem Publikum über die Resonanz von „Nobody’s Home“ in der Türkei. Einige Konservative empörten sich über die eindeutigen Sex-Szenen von Ilker während seiner Affäre. Akçay empfand es als „humiliating, like a Porno“, dass ihr Film mit einer Altersbeschränkung ab 18 belegt werden sollte. Trotz der Kritik sind ihr diese Szenen wichtig, weil sie die Realität wiedergeben.
„Nobody’s Home“ ermöglicht sehr feinsinnige Einblicke in die innere Welt einer Familie, die mit dem Verlust eines Mitglieds zu kämpfen hat. Der Film macht aber nur eine gebrochene, hilflose Frau sichtbar, anstatt die Problematik des stilisierten Mutterideals zu verdeutlichen.
von Katrin Gruszczyk